Nicht für alle Menschen ist es so leicht möglich, an kulturellen Events teilzuhaben. Für manche ist der Gang z.B. ins (Musik-)Theater, auch wenn großes Interesse oder Leidenschaft dafür besteht, eine nicht oder schwer bewältigbare Herausforderung. Viele Menschen in einem geschlossenen Raum, eine hohe Lautstärke, grelle und flirrende Lichteffekte, nur eine (zu kurze) Pause, kaum eine „Ausweichmöglichkeit“ – das kann den Theaterbesuch für Menschen mit besonderen Bedürfnissen erheblich erschweren oder unmöglich machen. Aber die gute Nachricht ist: Inklusion wird auch im kulturellen Bereich nach und nach ein immer wichtigeres und ernstgenommenes Thema.

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Seit 2024 bieten die Vereinigten Bühnen Wien im Raimundtheater und im Ronacher sogenannte „Relaxed Perfomances“ ihrer Musicalproduktionen an. Dabei handelt es sich um Vorstellungen, die einen Beitrag zu Inklusion leisten, indem sie durch Reduktion von sensorischen Reizen, also z.B. von lauten Geräuschen oder Lichteffekten, auch für Menschen mit ADHS, Menschen im Autismusspektrum aber auch Personen mit chronischen Krankheiten oder mit anderen besonderen Eigenschaften und Bedürfnissen, die die Teilhabe am kulturellen Leben sonst beeinträchtigen können, einen entspannten Besuch ermöglichen.

Im englischsprachigen Raum, am Broadway in New York und am Londoner Westend, sind solche Vorführungen bereits einige Zeit lang fester Bestandteil des Kulturlebens und werden nun auch in der deutschsprachigen Kulturwelt immer mehr etabliert. Damit soll die UN-Behindertenrechtskonvention umgesetzt werden, in deren Artikel 30 die „Teilhabe am kulturellen Leben sowie an Erholung, Freizeit und Sport“[1] verankert ist. Im Artikel 30 heißt es konkret: „Die Vertragsstaaten anerkennen das Recht von Menschen mit Behinderungen, gleichberechtigt mit anderen am kulturellen Leben teilzunehmen, und treffen alle geeigneten Maßnahmen, um sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen a) Zugang zu kulturellem Material in zugänglichen Formaten haben; b) Zugang zu Fernsehprogrammen, Filmen, Theatervorstellungen und anderen kulturellen Aktivitäten in zugänglichen Formaten haben; c) Zugang zu Orten kultureller Darbietungen oder Dienstleistungen, wie Theatern, Museen, Kinos, Bibliotheken und Tourismusdiensten sowie, so weit möglich, zu Denkmälern und Stätten von nationaler kultureller Bedeutung haben.“[2]

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Musicals als inklusives Kulturerlebnis gab/gibt es z.B. in Deutschland bei „Der König der Löwen“ in Hamburg oder bei „Die Eiskönigin“[3] in Stuttgart an bestimmten Terminen, aber auch in Österreich gab es bereits solche Vorstellungen: Im Raimundtheater fand 2024 eine „Relaxed Performance“ von „Das Phantom der Oper“ statt und im Mai 2025 folgte eine Vorstellung von „Rock me Amadeus – Das Falco Musical“.  Diese Vorführungen wurden und werden von den Vereinigten Bühnen Wien mit Unterstützung der Österreichischen Autistenhilfe ins Leben gerufen. Die VBW schreiben dazu: „Ursprünglich von der Autismus- Community für Kino- und Theatervorstellungen entwickelt, ist das Konzept sowohl für Menschen im autistischen Spektrum als auch für Menschen mit Behinderungen, chronischen Erkrankungen, Tourette-Syndrom, Lernschwierigkeiten oder ADHS geeignet. Menschen, die sich durch strenge Konventionen im Theater ausgeschlossen fühlen, können hier in lockererem Ambiente die Vorstellung genießen.“[4]

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Die erwähnten „strengen Konventionen im Theater“, zu denen z.B. das Still-Sitzen-Müssen, Leise-Sein-Müssen aber auch der Aufenthalt in einem geschlossenen und dunklen Raum – wie dem Zuschauerraum – gehören, können für z.B. neurodivergente Menschen herausfordernd sein und sie dadurch von der Teilhabe an kulturellen Veranstaltungen ausschließen. Mit „Relaxed Performances“ soll das verhindert und eine Inklusion ermöglicht werden. Zusätzlich zu den reduzierten Effekten sollen daher eine durchgehende leichte Beleuchtung des Publikumssaals, die Möglichkeit, jederzeit den Zuschauerraum zu verlassen und darin zurückzukehren, ein früherer (und damit längerer) Einlass sowie eine längere Pause zu einem entspannten und stressfreien Theaterbesuch beitragen. Auch (fertig ausgebildete) Assistenzhunde sind in diesen Vorstellungen willkommen. 😊


[1] https://www.institut-fuer-menschenrechte.de/menschenrechtsschutz/datenbanken/datenbank-fuer-menschenrechte-und-behinderung/detail/artikel-30-un-brk; letzter Zugriff am 29.9.2025

[2]ebda; letzter Zugriff am 29.9.2025

[3] Vgl. https://www.musicalplus.com/news/die-eiskoenigin-spannendes-pilotprojekt-fuer-inklusion-stage-entertainment-testet-relaxed-performance/; letzter Zugriff am 29.9.2025

[4] https://vbw/media/file/1584_PA_relaxed-performance_VBW_PG22042024.pdf; letzter Zugriff am 29.9.2025

Vgl. auch: https://www.autistenhilfe.at/vereinigte-buehnen-wien-setzen-relaxed-performance-fort-rock-me-amadeus/?cn-reloaded=1; letzter Zugriff am 29.9.2025