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Autor: Milena Mazanec-Mitmasser

Psychotherapeutin, Systemische Familientherapie

Comic-Schriftzug: "Kapow!"

Der Batman-Effekt

Seit Jahren begleitet mich Wonder Woman symbolisch – in Form von Halsketten, Ringen, T-Shirts, Gürtelschnalle, Rucksack… – in meinem Alltag. Zu meinem Abschluss als Psychotherapeutin bekam ich zusätzlich zum offiziellen Abschlusszertifikat auch eines als „Wonder Woman der Systemik“, weil mich dieses „Alter Ego“ auch durch die Ausbildung begleitet hatte. In meinen Selbsterfahrungsstunden erkannte ich, welche Bedeutung Wonder Woman für mich hat. Als ich mich außerdem im Zuge meiner Selbsterfahrung und Weiterentwicklung mit MSC – Mindful Selfcompassion – beschäftigte, wurde mir klar, dass Wonder Woman für mich auch ein Symbol für „Fierce Selfcompassion“ ist – also für jenes kraftvolle Selbstmitgefühl, das uns hilft, klar zu uns selbst zu stehen, uns abzugrenzen, für uns zu sorgen, gegebenenfalls auch mit Nachdruck. Wonder Woman steht für mich für meine Klarheit und Kraft, für mich als starke Frau.

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Ich habe mich mit Superhero – Therapy beschäftigt, mit der Geschichte von Wonder Woman und dachte irgendwie schon immer, dass die Metapher der Superheld:innen hilfreich sein kann. Auf den Begriff „Batman Effekt“ stieß ich allerdings erst vor kurzem. Er beschreibt noch einen ganz anderen, weiteren Aspekt, nämlich den Effekt, den ein Alter Ego haben kann.

Der „Batman Effekt“ geht auf eine Studie US-amerikanischer Wissenschaftler der University of Michigan zurück, die mit 4-6-jährigen Kindern durchgeführt wurde, ähnlich dem berühmten Marshmallow-Experiment. Untersucht wurde darin die Selbstregulationsfähigkeit der Kinder bezüglich ihres Durchhaltevermögens, an einer öden Tätigkeit dranzubleiben und dabei wurde die Hypothese geprüft, dass Selbst-Distanzierung dabei hilfreich ist.

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Die Aufgabe der Studie bestand darin, dass die Kinder eine langweilige Übung am Computer absolvieren mussten, während sie immer wieder darauf hingewiesen wurden, dass die Aufgabe langweilig ist. Dazu gab es den Hinweis, dass sie jederzeit und so oft sie wollten Pausen einlegen und dabei ein unterhaltsames Spiel auf Tablets spielen durften. Es wurden drei Gruppen gebildet: Gruppe 1 sollte sich fragen „Arbeite ich hart?“, Gruppe 2 sollte sich dieselbe Frage distanzierter in der 3.Person stellen („Arbeitet xy hart?“) und Kinder der Gruppe 3 sollten sich vorstellen, sie wären hart arbeitende fiktionale Charaktere wie Batman und sich fragen „Arbeitet Batman hart?“.  In der Studie zeigte sich, dass die erste Gruppe, die sich am wenigsten distanzierte und sich selbst in der ersten Person ansprach, also aus der Ich-Perspektive heraus reflektierte, die geringste Motivation und das geringste Durchhaltevermögen zeigte. Die zweite Gruppe, distanzierter von sich selbst durch die dritte Person, schnitt besser ab, während die dritte Gruppe, die sich vorstellte, als ein:e  Held:in zu handeln, am besten abschnitt. (vgl. Coulson, Justin: The Batman Effect. 23.3.2021. https://happyfamilies.com.au/articles/the-batman-effect; letzter Zugriff: 1.9.2024)

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Was fand man damit heraus bzw. welche Schlussfolgerungen wurden im weiteren Verlauf gezogen?

Durch die Herstellung von Distanz zu sich selbst wurde das Durchhaltevermögen der Kinder gesteigert. (vgl. Redaktion Katapult: Der Batman-Effekt. 17.4.2018. https://katapult-magazin.de/de/artikel/der-batman-effekt; letzter Zugriff: 1.9.2024)

Die Distanzierung durch die Vorstellung eines Alter Egos kann sowohl Kindern als auch Erwachsenen helfen, Ängste oder besondere Herausforderungen zu bewältigen, so die Annahme. Durch die Selbst-Distanzierung, die ein Alter Ego im Übrigen ebenso schaffen kann, wie z.B. Humor, der wie in meinem Artikel (s.Publikationen) beschrieben, auch hilfreich sein kann, ist man emotional nicht mehr so stark involviert oder identifiziert und bekommt mehr Handlungsspielraum.

Ein Artikel auf bbc.com berichtet davon, dass auch Beyoncé und Adele bereits über ihre Erfahrungen mit ihren Alter Egos erzählt haben. In einem Oprah Winfrey – Interview soll Beyoncé darüber gesprochen haben. „Beyoncé’s was the assertive and empowered ‘Sasha Fierce’, who allowed her to perform with extra self-confidence and sensuality.“ [1]

Auch Adele erzählte – wie in dem Artikel erwähnt wird – gegenüber dem Rolling Stone magazine kurz darauf, sie könne durch ihr Alter Ego bei ihren Auftritten ihr Bestes geben. 

Man kann in dieser Form der Selbst-Distanzierung eine Art Perspektivenwechsel sehen, der auch in der Systemischen Therapie gerne verwendet wird. So kann man Superheld:innen für vieles heranziehen – als Metaphern, Bilder für innere Anteile, als narrative Elemente oder als Alter Ego für Perspektivwechsel. Und – so wie ich meine Wonder Woman – Logos …. – als Kraftsymbole.


[1] Robson, David: The ‚Batman-Effect‘. How having an alter ego empowers you. 18.8.2020. https://www.bbc.com/worklife/article/20200817-the-batman-effect-how-having-an-alter-ego-empowers-you; letzter Zugriff: 1.9.2024

Spielfigur von Wonder Woman mit Lasso in der Hand

Schon einmal von Superhero Therapy gehört?

Wer mich kennt, weiß von meiner Begeisterung für Wonder Woman (und Star Wars, aber davon mehr ein anderes Mal…). Seit Jahren steht mir diese Superheldin als Symbol für einen kraftvollen Teil zur Seite (meine ehemaligen Schüler:innen könnten davon berichten 😊) und darüber hinaus verwende ich vor allem in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen – aber auch mit Erwachsenen – gerne zuweilen Superheld:innen zur Selbstwert- und Ressourcenstärkung. 2019 habe ich einen Kinderworkshop für Mädchen mit dem Titel „Wonder Girls – finde die Superheldin in dir“ gehalten und das war eine wunderbare Erfahrung. Mit Wonder Woman habe ich mich näher beschäftigt und nicht nur das ausführliche Werk von Jill Lepore – „Die geheime Geschichte von Wonder Woman“ – gelesen, sondern auch das Buch „The Psychology of Wonder Woman“, in welchem Psycholog:innen verschiedene Aspekte dieser Amazone beleuchten. Im Zuge meiner Beschäftigung mit dieser Heldin stieß ich unter anderem auf Beiträge von Janina Scarlet und fand heraus, dass diese Psychologin eine Form von „Superhero Therapy“ entwickelt hat. Natürlich musste ich sofort auch ihre Bücher mein Eigen nennen.

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Die klinische Psychologin Janina Scarlet wurde in der Ukraine geboren und war ein kleines Mädchen, als es zum katastrophalen Reaktorunfall in Tschernobyl kam. Durch die freigewordene Radioaktivität und die dadurch erlittene Verstrahlung trug sie lebenslange Konsequenzen davon, ihr Immunsystem wurde geschädigt, sie litt fortan an verschiedenen körperlichen Beschwerden und verbrachte immer wieder Zeit in Krankenhäusern. In ihrem Arbeitsbuch „Superhero Therapy for anxiety and trauma“ beschreibt sie, sich in den schwierigen Zeiten schwach und „kaputt“ gefühlt und befürchtet zu haben, sterben zu müssen. Sie liebte es, Geschichten von Helden zu lesen, und erinnert sich an ihren Wunsch, über außerordentliche Fähigkeiten zu verfügen, um sich selbst und andere Kinder im Krankenhaus zu retten. Als sie 12 Jahre alt war, wanderte sie mit ihren Eltern in die USA aus – nachdem sie und ihre Familie als Juden lange Zeit Diskriminierung erlebt hatten und musste in ihrer Schulzeit die Erfahrung machen, dass Schulkolleg:innen sie mieden, weil sie meinten, sie sei „radioaktiv“,  sie für ansteckend hielten und fragten, ob sie im Dunklen leuchten würde.[1] Scarlet musste Coping Strategien entwickeln, um mit dieser Situation umzugehen und fand, wie sie in einem anderen ihrer Bücher beschreibt, Unterstützung in Fantasy-Büchern und im Film „Super Mutants“.[2] Als sie mit 16 Jahren schließlich den Film „X-Men“ sah, veränderte sich für sie vieles. Sie erkannte, dass Geschichten wie diese, die sie berührte und stärkte, das Potenzial in sich tragen, dass Menschen sich verstanden fühlen, sich identifizieren können und dadurch Stärkung erfahren. „[…] stories can help people to feel more understood and less alone. It made me rethink my own story and for the first time in my life, instead of thinking of myself as a victim, I thought of myself as a survivor.“[3] Sie erkannte die tiefgreifenden Möglichkeiten, die Geschichten für die Verarbeitung traumatischer Erlebnisse und emotionaler Verletzungen bieten. Und sie beschloss, Psychologie zu studieren.

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„Superhero Therapy“ an sich wurde nicht von Janine Scarlet erfunden, viele Therapeut:innen haben bereits auf unterschiedliche Weisen mit Superheld:innen gearbeitet. In einem Interview in der Online Version von „Psychology Today“ meint Scarlet dazu: „Several therapists, including myself, have been using Superhero Therapy to treat a variety of disorders, including anxiety, depression, and posttraumatic stress disorder. (PTSD). This is done by incorporating examples from comic books, movies and TV shows as the means allow the client to better understand what he or she is experiencing.“[4]

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Als einen wesentlichen Teil dieses heilsamen Potenzials von Heldenfiguren, Superheld:innen, Identifikationsfiguren führt sie die Erfahrung des gemeinsamen Menschseins an, das eine der drei Hauptsäulen ist, die wir auch in „achtsamem Selbstmitgefühl“ („Mindful selfcompassion“, MSC) finden. Das Gefühl, mit seinem Schmerz, seinen Erlebnissen, seiner Geschichte nicht allein zu sein, sondern zu erleben, dass auch andere durch schwierige Erfahrungen durchgehen, kann beruhigende und stärkende Wirkung auf uns haben. Wir sind bindungsorientierte, soziale Lebewesen, deren Hormonsystem auf Bindung, Zugehörigkeit, Fürsorge beruhigend und entspannend reagiert: „Research suggests that when we identify that we have gone through a painful experience just as others have (the concept of common humanity), that this can allow us to feel more connected and that connection with others might even inspire physiological changes in the body, such as the release of a hormone, oxytocine, which has been shown to be related to increased feelings of love and compassion, reduced stress, reduced depression and anxiety, and increased lifespan.“[5]

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Darüber hinaus bieten Superheld:innen natürlich noch zahlreiche weitere Möglichkeiten: als Anteile in einer Form von Anteile-Arbeit, als Ressourcenstärkung durch die Entdeckung eigener „Superkräfte“, als Chance, durch „Reframing“ umzudeuten, … Aber das würde den Rahmen dieses Blogs sprengen, darum werde ich mich wohl auch diesem Thema in einem ausführlicheren Beitrag widmen…

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Wer hatte bloß diese Blog-Idee? Ich werde aus dem Schreiben gar nicht mehr herauskommen! 😊


[1]Vgl. Scarlet, Janina: Superhero Therapy for anxiety and trauma. A professional Guide with ATC and CBT-based Activities and Worksheets for All Ages. London: Jessica Kingsley Publishers, 2021, S. 13f.

[2] Vgl. Scarlet, Janina: Superhero Therapy. A hero’s journey through acceptance and commitment therapy. London: Robinson, 2016, S. 7-11.

[3] Scarlet: Superhero Therapy for anxiety and trauma, S. 14f.

[4] zitiert nach: Langley, Travis: What Is Superhero Therapy? Dr. Janina Scarlet explains how fictional superheroes can help in real therapy. 14.5.2014. https://www.psychologtoday.com/intl/blog/beyond-heroes-and-villains/201405/what-is-superhero-therapy?amp; letzter Zugriff: 11.8.2024.

[5] Zitiert nach: Langley, 2014; letzter Zugriff: 11.8.2024.

Die Figuren aus dem Film "Alles steht Kopf" als Modelle in meiner Praxis

Alles steht Kopf! – Der zweite Teil im Kino

Mitte Juni kam der zweite Teil des Pixar-Films „Alles steht Kopf“ (im Original: „Inside Out“) in die österreichischen Kinos und ich habe ihn mir – als bekennender Fan des ersten Teils – bereits zweimal angesehen. Die Figuren „Angst“, „Ekel“, „Kummer“, „Wut“ und „Freude“ – also die Emotionen des ersten Teils des Films aus dem Jahr 2015 – waren 2019 das Erste, was mit mir in meine erste eigene Praxis als Psychotherapeutin (damals noch im Status unter Supervision) einziehen durfte. Mitsamt ihrem Steuerpult, einigen „Erinnerungskugeln“ und dem rosa Elefanten – dem unsichtbaren Freund -„Bing Bong“. Anlässlich des zweiten Teils dürfen diese Figuren jetzt gerade meinen neuen Praxisraum zieren. Im zweiten Teil ziehen „Scham“, „(Selbst-)Zweifel“, „Langweile“, „Neid“ und für kurze Visiten auch „Nostalgie“ ein, in meiner Praxis fehlen sie – noch!

Die Figuren aus dem Film "Alles steht Kopf" als Modelle in meiner Praxis

Die Figuren des Pixar Films „Alles steht Kopf“ in meiner Praxis

In den beiden Filmen lernen wir Riley Andersen kennen, sehen einen Rückblick ihrer Lebensjahre von Geburt an und steigen dann in das Leben der 11-Jährigen ein, im zweiten Teil sehen wir sie als Teenagerin mit 13 Jahren. Wir bekommen einen Einblick in ihre Innenwelt – und ein bisschen auch in die Innenwelten ihrer Eltern und der anderen Menschen um sie herum. Wir lernen Rileys Emotionen, Erinnerungen und Glaubenssätze kennen – und können dabei angeregt werden, vielleicht auch ein bisschen selbst Innenschau zu halten. Wer steuert denn wohl unser eigenes Steuerpult im Gehirn? Wer hat jetzt gerade das Kommando? Diese Zeilen schreibe ich gerade mit meiner begeisterungsfähigen „Freude“, das ist klar. 🙂

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Ich arbeite in meiner Praxis sehr gerne mit Bildern oder Metaphern für Emotionen und auch mit inneren Anteilen. In verschiedenen Bereichen der Therapie und Kommunikation trägt diese „Anteilearbeit“ unterschiedliche Bezeichnungen, etwa das „Innere Team“ (nach Schulz von Thun), das „Innere Parlament“, „Parts Party“ (aus der Praxis der Systemischen Therapie) oder IFS – „Internal Family System“, also die „Innere Familie“ (nach Richard Schwartz). Dabei gibt es verschiedene Arten von inneren Anteilen, manche Zugänge unterscheiden kindliche und erwachsene, helfende oder schützende Anteile, Bezeichnungen wie das Innere Kind, den Selbstkritiker, den Antreiber uvm.

Und natürlich kann man auch Emotionen externalisieren und personifizieren, so kann man z.B. seine Wut fragen, was sie denn zu sagen hat, Kummer zu Wort kommen lassen oder auch die Angst interviewen, welche Aufgabe sie denn zu haben meint. Und natürlich können auch Anteile Emotionen haben! Manchen Menschen fällt es leicht, Bilder und Bezeichnungen für ihre inneren Anteile und Emotionen zu finden, für manche ist das aber auch eine größere Herausforderung. In meiner Praxis springen dann hie und da die kleinen Figuren von „Alles steht Kopf“ zur Erklärung und Veranschaulichung ein und ermöglichen einen spielerischen und durchaus auch humorvollen Zugang zu Emotionen und zur Innenschau.

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In den Filmen bekommen wir vermittelt, dass jede Emotion ihren Sinn und ihre Berechtigung hat, dass wir sie alle benötigen, auch Freude und Kummer gehören gleichermaßen zu uns, selbst wenn wir sie als so gegensätzliche Emotionen erleben. Die Emotionen wegzusperren gelingt genauso wenig, wie sie nachhaltig gänzlich zu verbannen und loszuwerden, und auch die inneren Anteile kann man nicht vor die Tür setzen. Sie gehören zu uns und wollen integriert werden und in uns „wohnen“ dürfen. Unsere Emotionen zu „beheimaten“, das empfinde ich persönlich als ein schönes Bild.

Manche Anteile und Gefühle sind manchmal im Widerstreit, manche „verstehen sich“ gut und manche existieren einfach nebeneinander – so oder so sind sie alle Puzzlesteinchen, die uns ausmachen. Ja, „Zweifel“ muss manchmal vielleicht ein bisschen zum Entspannen „inspiriert“ (oder überredet…) werden, „Wut“ braucht hie und da wohl etwas Abkühlung und gutes Zureden, „Freude“ kann da und dort über das Ziel hinausschießen…. – wie gut, dass da mehrere Anteile und Emotionen in uns sind, die für Balance und Ausgeglichenheit sorgen können und im Idealfall gut zusammenarbeiten! Wie gut, dass „Angst“ oder ein ängstlicher Teil an die Gefahren und Sicherheitsvorkehrungen denkt, dass „Wut“ oder ein wütender Teil unsere Grenzen wahrt und „Kummer“ oder ein trauriger Teil auch einmal unsere Tränenkanäle reinigt und dafür sorgt, dass wir uns anderen Menschen empathisch zuwenden können und uns auch einmal trösten lassen! Was würden wir vielleicht irrtümlich zu uns nehmen (Brokkoli?!), wenn „Ekel“ uns nicht zur Seite stünde, wie wären wir uns unseres Selbst, unserer Werte und der anderen Menschen bewusst ohne „Scham“?

Die beiden Filme haben jeweils eine wichtige „Lehre“ oder Botschaft für uns – aber die können Interessierte ja selbst herausfinden…

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Meine „Freude“ hat gerade beschlossen, dass ich demnächst einen ausführlicheren Artikel über die beiden Filme und ihre zugrundliegenden psychologischen wissenschaftlichen Fakten schreiben sollte. (Wenn es soweit ist, wird der Artikel natürlich auf meiner Homepage unter „Publikationen“ zu finden sein.) 😊

Himmel von dem die Sonne scheint, eine trockene Pflanze im Vordergrund

H wie Hitze und Hirn

Durch einen Artikel in der Rubrik „Wissen“ der Zeitung „Die Zeit“ vom 25.Juli 2024 wurde ich auf ein interessantes Thema aufmerksam, das uns möglicherweise in den kommenden Jahren mehr beschäftigen und weitere Studien anregen wird – der Artikel „Heißes Hirn“ von Harro Albrecht befasst sich mit den Auswirkungen von Hitzewellen, wie wir und weite Teile der Erde sie in den letzten Wochen erlebt haben, auf unseren Körper, unser Gehirn und unsere Psyche.

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Ich kenne es von mir selbst, und viele können da vielleicht ebenfalls auf eigene Erfahrungen  zurückgreifen, dass ich bei Temperaturen über 30 Grad geistig – und körperlich sowieso – nicht mehr, sagen wir mal, ganz so wendig bin, wie sonst. Dabei liebe ich den Sommer und warme Temperaturen sehr, aber am meisten natürlich, wenn ich in der heißen Zeit frei und nichts anderes zu tun habe, als entspannt – idealerweise in unmittelbarer Nähe eines Gewässers – herumzuliegen und gute Bücher und Fachliteratur zu lesen (oder Blogeinträge zu schreiben)… Arbeiten aber auch andere Alltagstätigkeiten wie Einkaufen, Haushalt etc. können bei hohen Temperaturen schon einmal zu einer größeren Herausforderung und für vorbelastete oder ältere Menschen sogar durchaus gefährlich werden.

Der Artikel aus „Die Zeit“ geht vor allem näher darauf ein, wie sich hohe Temperaturen auf unser Gehirn auswirken. Während „20 bis 26 Grad Celsius und 40 bis 60 Prozent Luftfeuchtigkeit […] noch angenehm“[1] empfunden werden, ändert sich das, wenn die Anzeige am Thermometer nach oben klettert. Der Artikel führt an, dass Erkrankungen wie Migräne, Multiple Sklerose, Epilepsie, Alzheimer, Parkinson und Gehirnhautentzündungen bei durch Hitze gestressten Körpern zunehmen. Aber auch die Psyche leidet unter den hohen Temperaturen, es gibt die Beobachtung, dass Depressionen und Manien in heißen Perioden vermehrt Menschen in Krankenhäuser führen. Die genauen Zusammenhänge werden noch genauer untersucht werden müssen, jedoch kann man, wie Albrecht in seinem Artikel anführt, annehmen, dass z.B. die verminderte Schlafqualität (wenn man sich z.B. schlaflos in so genannten Tropennächten im Bett wälzt) oder auch die Wechselwirkung zwischen Medikamenten z.B. gegen Depression und den Temperaturregulationsmechanismen des Körpers eine Rolle spielen können.[2]

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Aber was bedeutet das nun angesichts bestimmter Klimaveränderungen für uns? Wenn die Temperaturen weltweit steigen, können Auswirkungen spürbar werden. In diesem Artikel wird die Publikation „Die Psychologie und Neurowissenschaft der Klimakrise“ von Dorothea Metzen und Sebastian Ocklenburg angeführt, welche ich mir gleich zugelegt und interessiert zu Gemüte geführt habe. Darin schreiben die Autor:innen in der Einleitung: „Da unser Handeln, Erleben und Fühlen durch das Gehirn gesteuert werden, ist es wichtig, im Kontext der psychischen Folgen der Klimakrise auch ihre Auswirkungen auf die Funktion des Gehirns von Tieren und Menschen zu erläutern.“[3] In den folgenden Ausführungen geben die beiden eine Studie an, in welcher belegt werden konnte, dass bei Hitzewellen (mit Temperaturen über 27,6 Grad Celsius) 7% mehr durch bereits vorhandene psychische Erkrankungen – wie Demenz, Depression, Angst- und Panikstörungen, Schizophrenie, Essstörungen, Entwicklungsstörungen und Schlafstörungen – vorbelastete Menschen hospitalisiert wurden.[4]

Von den unmittelbaren Effekten von Hitze auf das menschliche Gehirn und die Psyche abgesehen, weisen die beiden Autor:innen auch auf andere Auswirkungen des Klimawandels auf die Psyche hin. Eine Zunahme von Naturkatastrophen wie Flutkatastrophen und Waldbränden kann zu einer Zunahme an Posttraumatischen Belastungsstörungen führen.[5] Außerdem ist zu beobachten, dass vor allem die jüngere Generation durch Zukunftssorgen aufgrund der Klimakrise belastet ist und sich mit Wut über die Ungerechtigkeit, etwas ausbaden zu müssen, das sie nicht verursacht hat, und mit Angst auseinandersetzt.[6]

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Und was heißt das jetzt? Es bedeutet wohl, dass dies ein Thema ist, mit dem sich einerseits die Forschung und andererseits die helfenden Berufe wie Psychotherapeut:innen, Psycholog:innen künftig auch in der ein oder anderen Form auseinandersetzen werden. Ähnlich wie z.B. die Corona-Pandemie, aktuelle Kriege oder andere Welt-Ereignisse werden wahrscheinlich auch die Auswirkungen des Klimawandels und / oder auch der Diskurs darüber auf die eine oder andere Art ihren Weg in die Praxen finden, weil dies unseren Alltag mitprägt und auf mehreren Ebenen auf uns wirkt.


[1] Albrecht, Harro: Heißes Hirn, in: Die Zeit, 25.6.2024, S. 29.

[2] Vgl. Albrecht: Heißes Hirn, S. 29.

[3] Metzen, Dorothea, Ocklenburg, Sebastian. Die Psychologie und Neurowissenschaft der Klimakrise. Wie unser Gehirn auf Klimaveränderungen reagiert. Berlin: Springer, 2023, S.1.

[4] Vgl. Metzen, Ocklenburg, S. 17.

[5] Vgl. Metzen, Ocklenburg, S. 23.

[6] Vgl. Metzen, Ocklenburg, S. 31.

© 2024 Milena Mazanec-Mitmasser